Mittwoch, 25. März 2015

Essay

Ein poetischer Blick auf das Weltgeschehen

Die Welt, wie wir sie heute sehen oder beschrieben bekommen schein oftmals grau und stumpf zu sein.
Die Welt, wie sie früher mal gewesen sein musste, wird uns aber in all ihren schillernden Facetten beschrieben.
Ist es möglich, dass diese Farben bzw. eben nur Grautöne von der Erzählweise, in der uns Texte die Welt zu beschreiben versuchen herrührt?
Ist es möglich, dass ein Poet, ein Lyriker es besser vermag ein Umfeld, eine Welt bunt und schön zu gestalten als ein Autor, welcher nur prosaische Mittel benutzt?
Nathanael aus E.T.A. Hoffmanns „Der Sandmann“ würde diese These wahrscheinlich sofort unterstützen. Am Beispiel von Olimpia führt er an, dass nur ein poetisches Gemüt ihre wahre Schönheit, ihre wahre Liebe und die wahre Aussage ihrer Worte verstehen kann.

Nun stellt sich doch natürlicherweise die Frage, ob diese wahre Schönheit der Olimpia, wie sie sich nur einem poetischen Gemüt, einem poetischen Menschen offenbart nicht auch auf andere Dinge anzuwenden ist.
In vielen Menschen steigt ein fast schon wehmütiges Gefühl auf, wenn sie sich alte Texte (z.B. eine Ballade eines mittelalterlichen Minnesängers) durchlesen.
Auch die antike Welt, in welcher die Römer und Griechen lebten scheint uns verheissungsvoll. Nicht grundlos eiferten die Menschen in der Renaissance den antiken Texten, der antiken Kunst nach.
Auch die mittelalterliche Welt, eine zweifellos von Schmutz und Dreck, von Blut und Leid getränkte Umwelt scheint eine gewisse Anziehungskraft zu besitzen, scheint auf eine Art romantisch zu sein.
Woran, wenn nicht an diesem Wehmut, soll es denn sonst liegen, dass jährlich tausende und abertausende Menschen auf Mittelalterfeste pilgern, um ein Wochenende in einer ganz anderen Welt zu verbringen, einmal in eine schwere, unhandliche Rüstung aus Stahl zu steigen, einmal richtig ausgelassen feiern zu können ohne sich um Tischmanieren scheren zu müssen? Woran soll es liegen, dass viele Leute Tagesausflüge nach Augst oder Windisch, bzw. Augusta Raurica und Vindonissa unternehmen um einmal oder auch mehrmals in die Welt der römischen Legionäre und Gladiatoren einzutauchen?


Schlussendlich bleibt noch eine einzige Frage im Raum stehen:
Wodurch wird diese Faszination, dieser Wehmut für lange vergangene Zeiten und Geschichten, welche doch irgendwie von Entbehrung geprägt zu sein scheinen hervorgerufen?
Ist es der unstillbare Wissensdurst des Menschen nach seiner Vergangenheit?
Ist es die Tatsache, dass wir Menschen scheinbar nie mit der Welt, dem Umfeld in dem wir leben zufrieden sind?
Oder liegt es tatsächlich daran, dass poetische Texte in uns mehr Gefühle zu wecken, uns schönere Welten beschreiben können als prosaische?



Mittwoch, 4. März 2015

Phantome des Ichs

Essay zu „Der Sandmann“ von E.T.A. Hoffmann

Phantome des Ichs

Es gibt Menschen, welche versuchen, Ihre Probleme und Belastungen mit Hilfe einer rationalen Strategie zu bewältigen.
Es gibt Menschen, welche versuchen, Ihre Probleme und Belastungen zu bewältigen, indem sie sich mit ihren Freunden, ihrer Familie darüber unterhalten.
Es gibt Menschen, welche ihren Ängsten begegnen müssen um sie dann zu besiegen.
Und es gibt Menschen, welche versuchen sich mit ihren Ängsten und Problemen auseinanderzusetzen, indem sie sich in eine andere Welt flüchten, die allen anderen verschlossen bleibt.
Sie beschäftigen sich solange und intensiv mit ihrer Angst, bis sie glauben, dass diese Angst wirklich geworden sei.

Nathanael aus E.T.A. Hoffmanns „Der Sandmann“ scheint letzterem Typus von Menschen anzugehören.
In seiner frühen Kindheit hörte er das Märchen des schrecklichen Sandmanns, welcher den Kindern ihre Augen stiehlt und diese an seine abscheulichen Kinder verfüttert. Er liegt nächtelang wach und zittert vor Angst vor dieser Kreatur. Scheinbar nimmt diese Furcht einen so grossen Platz im Bewusstsein des jungen Nathanaels ein, dass er sich in seinen Gedanken den Advokaten Coppelius, welche tatsächlich existieren mag, zu seinem eigenen Sandmann macht und auch schreckliche Erlebnisse hat mit ihm.
Dann, als der Advokat die Stadt verlässt, scheint Nathanael seine Angst einigermassen überwunden zu haben. Doch als dann der Wetterglasverkäufer Coppola vor seiner Haustür erscheint, wird einem klar, dass Nathanael noch lange nicht über diese Horrorerlebnisse, welche er in seinem Geiste durchlebt hat, hinweg ist. Vielmehr beginnt er sich wieder in seinem Geiste die schlimmsten Ereignisse auszumalen.

Diese psychische Störung scheint nicht nur in der literarischen Welt zu existieren sondern durchaus real zu sein.
Immer wieder hört man Geschichten von Leuten, die vor ihren Schmerzen und Ängsten in eine andere Welt oder gar in eine andere Person flüchten.
Es gibt Leute, die schizophren geworden sind, weil sie als kleine Kinder misshandelt worden sind und keine Freunde hatten, mit denen sie ihr Leid teilen konnten. Es gibt Leute wie Nathanael, deren Angst vor etwas so stark ist, dass sie glauben ihre Alpträume seien tatsächlich passiert. Hinter dieser obskuren „Krankheit“ scheint sich der Wunsch zu verbergen, seine Probleme mit jemandem zu teilen. Nun sind aber diese Ängste zum Teil derart aussergewöhnlich, dass sich die betroffene Person, so scheint es, schämt, diese jemand anderem mitzuteilen. Gerade wegen diesem Mangel an Vertrauen zu anderen versucht nun der „Kranke“ seine Befürchtungen auf eine spezielle Art mit sich selbst zu teilen.
Nathanael „erfindet“ seinen Sandmann Coppelius nur, um seiner Angst, dem grässlichen Sandmann endlich ein Gesicht zu geben. Dadurch würde seine Angst konkreter und er könnte dann einfach Coppelius aus dem Weg gehen um vor dem Sandmann zu flüchten.
Als nun der Wetterglasverkäufer Coppola, der Coppelius sehr ähnlich zu sein scheint, bei Nathanael auftaucht ist dessen Angst wieder da wie eh und je. Er verfällt in Panik, versucht seinem besten Freund Lothar in Briefen seine Angst verständlich zu machen und sieht sich wieder in seine Kindheit zurück versetzt.